Kirchen im Avers und Val Ferrera

Dem Himmel ein wenig näher ...

 

Herzlich willkomma! Bagnavagnieu! 

Dem Himmel tatsächlich ein weniger näher – so stehen die vier Kirchen im Val Ferrera und im Avers seit Jahrhunderten als markante Wegmarken in der Landschaft. Und so möchten wir als Evangelisch-reformierte Gemeinden auch heute Kirche sein: markante und ermutigende Zeichen auf dem Weg der Menschen, die in unserer Talschaft wohnen oder sie besuchen. Und dem Himmel näher, indem wir uns von der befreienden Botschaft des Evangeliums inspirieren lassen und dabei offene, einladende Gemeinschaft untereinander leben.

Seien Sie herzlich willkommen in der höchsten Kirchgemeinde Europas – unsere Türen stehen auch Ihnen offen! 

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09.08.2023

Volle Häuser, leere Zelte – Gedanken nach den Ferien

In den aktuellen Debatten um Schutz und Schonung der Umwelt fällt das Augenmerk auch auf das Bauen, denn ein Haus zu bauen braucht enorm viel Material, und wo ein Haus abgerissen werden muss, fällt unheimlich viel Sondermüll an. Unsere Lebensform in Häusern bringt auch sonst ganz viel Material mit sich: Wir «lagern» in unseren Häusern und Wohnungen Möbel, Vorräte, Kleider, Schuhe, Bücher, Instrumente, Bilder, Koffer, Medikamente, Geschirr, Küchenutensilien, Maschinen, Gartenwerkzeuge, Fahrzeuge und und und. Letzthin habe ich mir gedacht, wie das wohl aussehen würde, wenn ich alle Dinge aufeinander beigen würde, die ich in der kurzen Zeit, in der ich im Pfarrhaus in Cresta wohne, hier aufgestellt habe. Der Stapel würde wohl höher werden als das Pfarrhaus. All das Material für nur eine Person! Die Vorstellung alleine macht einen schwindlig.

Dahingegen war die Erfahrung, die ich in den vergangenen Ferienwochen gemacht habe, geradezu befreiend. Seit längerem bin ich einmal wieder zusammen mit Freunden und meinem alten Spatz-Zelt, das noch von meinen Eltern stammt, unterwegs gewesen. Das Zelt alleine schon besteht aus bloss ein paar Kilos Stoff. Und dieses «Haus» (obwohl normalerweise auch wieder ein Objekt, das im Keller gelagert wird) passt zusammengerollt bestens in den Kofferraum eines Autos.
Einmal aufgestellt bewegt man sich nicht frei in grossen Räumen wie in einem Haus: Auf allen vieren kriecht es sich ins Zelt, und Platz finden eine Matratze, ein Schlafsack und ein paar kleine Utensilien. Dann ist der Raum gefüllt, und stopft man mehr hinein, wird’s ungemütlich. Aber man geniesst diesen kleinen Raum mit seiner Geborgenheit ungemein.

Das Schöne am Zelten ist gerade das Unterwegssein mit wenig, das Verzichten auf so viel Material, das man normalerweise um sich herum hat (haben will, zu haben meinen muss, …). Die Erfahrung des Zeltens konfrontiert einen mit der Frage, was denn die eigentliche Qualität des Lebens für uns ausmacht: Ist es das ganze «Material», das uns zur Verfügung steht, oder ist es das (gemeinsame) Unterwegssein, die Beziehungen, die wir leben, das abendliche Zusammensitzen, das Nahe-Sein «am Boden»? Was zählt wirklich im Leben, was nehmen wir mit uns mit auf unsere Lebensreisen, auf die «letzte» Reise?

In der jüdischen Tradition ist die Erinnerung an die Wanderung in der Wüste, das Leben der Ahnen in Zelten, ganz zentral. Diese Erinnerung ans Unterwegssein erlaubt den Menschen einen neuen Blick auf ihr eigenes Leben in Häusern; sie lehrt einen Dankbarkeit dafür, dass man ein Heim, Haus und Herd hat. Und sie lehrt einen auch erkennen, dass dies nicht selbstverständlich ist und dass es auch nicht das sein kann, was letztlich im Leben zählt.

Wenn Jesus seinen Zuhörern einmal gesagt hat, es sei einfacher, dass ein Kamel durch ein Nadelöhr gehe, als dass ein Reicher in den Himmel komme (Markus 10,25), dann sagt er damit eben nicht, dass es für einen Reichen unmöglich ist, zum Reich Gottes zu gelangen. Aber mitnehmen zu Gott kann er/sie das ganze angesparte Material nicht. Denn das «Nadelöhr», es war eine ganz kleine Türe in der Stadtmauer Jerusalems, durch die man nachts in die Stadt gehen konnte. Aber ohne Waren, ohne Material. Ein Kamel kam nur knapp durch dieses Tor hindurch – man musste es vorher «entladen».

Und so müssen wir wohl manchmal bereit sein, all das hinter uns zu lassen, was uns so wichtig zu sein scheint, damit wir in neue Räume, Gottesräume, kommen können – ganz alleine und «auf allen vieren». Und wo wir lernen loszulassen, können wir entdecken, was im Leben (und im Sterben) wirklich zählt.

Ich wünsche einen «guten Rutsch» zurück in den Alltag!

Mit herzlichen Grüssen,
Pfr. Jürg Scheibler



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